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Tag des Blindenführhundes 2019

30.01.2019

Tag des Blindenführhundes Ein eingespieltes Team: Gerda Mittag und ihr Labradoodle

Straßenbahngleise, Ampeln oder Zebrastreifen: Im Straßenverkehr ist Blindenführhund Rocco immer an der Seite von Gerda Mittag. Am Dienstag – zum Tag des Blindenführhundes – bekommt er ein extra Stück Leberwurst.

UNTERWEGS: Rocco und Gerda Mittag überqueren eine Ampelkreuzung.

UNTERWEGS: Rocco und Gerda Mittag überqueren eine Ampelkreuzung. Quelle: Samantha Franson

Hannover

Er zeigt Stufen an, versteht „rechts“ und „links“, hilft, die Tür der Straßenbahn zu finden und bringt manchmal auch die Schuhe: Der braune Labradoodle Rocco (6) – ein Mix aus Labrador und Pudel – ist Blindenführhund und assistiert Gerda Mittag täglich im Straßenverkehr. Der 29. Januar ist für ihn ein ganz besonderer Tag: Es ist der „Tag des Blindenführhundes“. Und dafür bekommt er auch ein kleines Geschenk: „Wahrscheinlich kriegt er ein Stück Leberwurst“, sagt sein Frauchen.

Die 63-Jährige ist durch einen Grünen Star von Geburt an blind. Der Mischling ist seit mittlerweile viereinhalb Jahren an ihrer Seite. „Rocco gibt mir viel Sicherheit“, sagt sie. Anders als der Blindenstock: Damit falle es ihr schwer, geradeaus zu gehen. „Ich habe dann keine Orientierung. Mit Rocco funktioniert das, da er ja geradeaus läuft.“

Rocco nimmt sein Frauchen mit

Dass die beiden ein tolles Team sind, zeigt sich auch bei einem Spaziergang mit der NP. Schon an den Stufen der Eingangstür gibt Rocco das Kommando. „Ich merke, wenn sein Körper sich nach unten bewegt, dass die Stufe kommt.“ Und als eine Mutter und ihre Tochter etwas aus dem Kofferraum ihres Autosladen wollen und dabei den Bordstein ein wenig blockieren, geht Rocco an ihnen vorbei und nimmt sein Frauchen mit. Ganz egal, ob es Müllsäcke, Verkehrsschilder oder andere Hindernisse sind, durch das Festhalten am Geschirr des Hundes zeigt Rocco Gerda Mittag automatisch den Umweg. Den Stock hat sie nur noch für den Notfall dabei. „Falls Rocco doch mal stehen bleibt, kann ich mit dem Stock fühlen. Das gibt mir noch mehr Sicherheit.“ Tatsächlich fällt auf: Gerda benutzt den Blindenstock kaum, meistens hält sie ihn nur in der rechten Hand.

Fremde Berührungen lenken ab

Besonders wichtig ist für das Gespann das Vertrauen. „Ich muss mich auf den Hund einlassen“, erklärt die 63-Jährige. Gefährlich wird es für die blinde Frau immer dann, wenn andere Menschen den Hund anfassen wollen – dabei steht auf dem Geschirr: „Bitte nicht streicheln. Ich arbeite“. Aber: „Das verstehen die Leute leider nicht.“ Die fremden Berührungen spürt Gerda Mittag an den Reaktionen des Hundes. „Das lenkt ihn von seiner Arbeit ab und stellt ein hohes Sicherheitsrisiko für uns da, weil sich der Hund bewegt und ich mich dann natürlich auch. Wenn ich dann einen falschen Schritt mache, falle ich auf die Gleise oder vom Gehweg.“

Hund kann Farben nicht erkennen

An Straßenbahngleisen, einer Ampel oder einem Zebrastreifen ist es RoccosAufgabe, stehen zu bleiben und seinem Frauchen zu zeigen, dass dort ein Überweg ist. Dagegen ist es nicht seine Aufgabe, auf die Ampelfarben zu achten. „Die Farben erkennt er nicht. Er zeigt mir einfach, dass hier zum Beispiel eine Ampel ist.“ Dann achtet Gerda auf ein akustisches Signal der Ampel, das Vibrieren des Knopfes oder auf den Verkehr. „Wenn die Ampel das nicht kann, horche ich, ob die Autos parallel von mir fahren. Dann weiß ich, dass ich gehen kann.“

Rocco folgt auf Kommando

Auch auf dem Bahnsteig ist der Hund eine wichtige Stütze: Er zeigt seinem Frauchen die Tür. Nicht immer klappt das problemlos: „Wenn wir genau zwischen zwei Türen stehen, dauert es zu lange, bis sich Rocco entschieden hat – und dann sind die Türen schon wieder zu.“ Doch da weiß sich Gerda Mittag zu helfen. „Ich lasse das Geschirr dann los und gehe selber zu der Tür.“ Auf das Kommando „Komm mit“ folgt ihr Rocco.

Hund nicht immer willkommen

Doch einen Nachteil hat der Blindenführerhund: Oftmals wird Gerda Mittag der Zutritt zu Arztpraxen, Restaurants, Krankenhäusern oder kulturellen Einrichtungen verwehrt. „Das ist eine Frechheit, da der Hund ein anerkanntes Hilfsmittel ist.“ Gerda bleibt in solchen Fällen trotzdem ruhig, fängt keine Diskussionen an. „Das bringt ja nichts. Ich wende mich später telefonisch an die verantwortlichen Personen und bitte darum, die Notwendigkeit an die Mitarbeiter weiter zu geben. Denn die wissen in der Regel nicht, wie wichtig der Hund für mich ist.“ Dabei mochte Gerda Mittag Hunde nicht immer. „Ich hatte Angst und wollte die Tiere nie anfassen.“ Aber dann hatte ein Kollege einen Hund. „Ich habe meine Ängste nach und nach abgebaut.“

Mehr Lebensqualität durch Hunde

Inzwischen ist es für die 63-Jährige der dritte Blindenführhund. Dank der Tiere hat sie mehr Lebensqualität. „Mit dem Stock bemerke ich das Hindernis erst, wenn ich dagegen haue. Mit Rocco gehe ich sofort drumherum. Das macht eine Menge aus.“ Pausen hat der Hund immer zu Hause – draußen hat er genug Aufgaben, bei denen er auf sein Frauchen aufpassen muss: „Zu Hause kann er einfach nur Hund sein.“

 

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