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Rechtliches

Ein unzertrennliches Gespann?

Blindenführhunde sind Tiere. Logisch! Aber sie sind auch Hilfsmittel. Das wird oft verkannt. Mit der Folge, dass den Hunden – wie anderen Tieren auch – an vielen Orten der Zutritt verboten wird. In den meisten Fällen geschieht dies zu unrecht, erklären die Experten der Rechtsberatungsgesellschaft „Rechte behinderter Menschen“.

 

Endlich ist es geschafft: Die Krankenkasse hat den Blindenführhund gezahlt, die Führhundschule hat gute Arbeit geleistet und den neuen Begleiter gut ausgebildet abgegeben und das neue, selbstständige Leben kann beginnen. Wer denkt, nun seien alle Hürden beseitigt, verkennt allerdings die Tücken des Alltags. Ist der neue Mitbewohner erst einmal eingezogen, tauchen schnell neue Probleme auf: Der Supermarkt um die Ecke will ihn nicht hereinlassen. Der Hausarzt hat plötzlich hygienische Bedenken. Der Busfahrer möchte ihn nur mit Maulkorb mitfahren lassen. Beim Theaterbesuch soll man plötzlich auch wieder allein kommen und zu guter Letzt will der Vermieter die Hundehaltung in der Wohnung nicht dulden. Immer wieder wenden sich Blindenführhundhalter an die Rechtsberatungsgesellschaft „Rechte behinderter Menschen“ (rbm) und klagen ihr Leid. Auf die am häufigsten gestellten Fragen versucht dieser Artikel, Antworten zu geben und damit ein Stück Aufklärungsarbeit zu leisten.

 

Allgemeines

Eigentlich sollte alles ganz einfach sein. Nüchtern betrachtet, ist ein Blindenführhund ein Hilfsmittel und erforderliche Hilfsmittel sollte man überall bei sich führen dürfen. Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht, denn ein Blindenführhund ist eben auch ein Tier. Nicht zuletzt Unwissenheit und Vorurteile führen dazu, dass der Führhund allzu häufig auf sein „Hundsein“ reduziert wird und dabei seine besondere Funktion als Hilfsmittel übersehen wird. Diesen Konflikt gilt es zu lösen.

 

Führhundhaltung in einer Mietwohnung

Einem blinden Mieter oder Angehörigen des Haushalts darf die Haltung eines Blindenführhundes nicht versagt werden. Das Amtsgericht Bamberg, das insoweit geurteilt hat, stützt seine Begründung auf das Benachteiligungsverbot im Grundgesetz (Art. 3 Abs. 3) und zwar auch unter dem Gesichtspunkt der selbstgestaltenden Lebensführung behinderter Menschen. Die Interessen des Vermieters seien demgegenüber als geringer einzustufen.

 

Mitnahme in öffentlichen Verkehrsmitteln

Blindenführhunde sind sowohl im Nah- als auch im Fernverkehr unentgeltlich zu befördern, wenn der Halter durch das Merkzeichen „B“ im Schwerbehindertenausweis zur Mitnahme einer Begleitperson berechtigt ist. Die Mitnahme des Führhundes kann dabei zusätzlich zu einer ebenfalls kostenlos reisenden Begleitperson erfolgen. Die allgemeinen Regelungen zur Mitnahme von Tieren gelten für Führhunde nicht, so dass Maulkorbpflichten oder Ähnliches nicht zu beachten sind.

Da auch Taxis zum öffentlichen Personennahverkehr gehören, haben blinde Menschen grundsätzlich einen Anspruch darauf, von diesem Verkehrsmittel befördert zu werden und zwar einschließlich des Blindenführhundes. Entgegenstehende Bestimmungen sind grundsätzlich unwirksam. Taxiunternehmen können lediglich Regelungen dahingehend treffen, dass sie Blindenführhunde nur in speziellen Fahrzeugen mitnehmen, müssen dem Fahrgast dann aber auch die Beförderung in einem solchen Taxi anbieten. Es ist daher sinnvoll, bei der Bestellung des Taxis auf die beabsichtigte Mitnahme eines Führhundes hinzuweisen.

 

Zutritt zu Arztpraxen

Sozialleistungen – und hierzu gehört auch der Arztbesuch – sind grundsätzlich barrierefrei zu erbringen. Dies schließt die Nutzung des Blindenführhundes in Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge ein. Da es kein gesetzliches Verbot in Bezug auf die Mitnahme eines Führhundes gibt und laut eines Gutachtens der Freien Universität Berlin auch keine medizinisch-hygienischen Bedenken dagegen sprechen, sollte einem Führhundgespann nicht der Zutritt verweigert werden. Ausnahmen sind natürlich angezeigt, wenn hygienisch sensible Bereiche wie Operationssäle oder Intensivstationen in Anspruch genommen werden müssen.

 

Zutritt zu Lebensmittelgeschäften und Restaurants

Weder das europäische noch das nationale Lebensmittelhygienerecht enthält spezifische Vorschriften, in denen das Zutrittsrecht von Blindenführhunden zu Lebensmittelgeschäften oder gastronomischen Betrieben geregelt ist. Damit ist die Mitnahme eines Blindenführhundes gesetzlich weder ausdrücklich erlaubt noch verboten. Der Zutritt darf einem blinden Menschen und seinem Führhund nur rechtmäßig verweigert werden, wenn der Gastronom oder der Inhaber eines Lebensmittelgeschäfts Rechtfertigungsgründe darlegen kann. Diese können – wenn überhaupt – nur auf hygienischen Erwägungen beruhen. Wenn aber schon für den Bereich der Arztpraxen und Krankenhäuser keine Bedenken gegen die Mitnahme von Blindenführhunden bestehen, dann muss das erst recht für die Gastronomie und die Lebensmittelbranche gelten.

 

Soweit zur Theorie: In der Praxis ist es aber längst nicht so einfach. Lebensmittelgeschäfte und Restaurants sind in der Regel in privater Hand, was bedeutet, dass der Inhaber von seinem Hausrecht Gebrauch machen und festlegen kann, dass dem Führgespann der Zutritt versagt bleibt. Das ist ärgerlich und auch eine behinderungsspezifische Diskriminierung. Wenn man in der betreffenden Lokalität etwas ändern oder schlicht eine Entschädigungsleistung erhalten möchte, dann hilft kein Knurren, sondern nur der Rechtsweg – notfalls unter Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes. Zu verdanken haben wir diese Rechtsschutzmöglichkeit dem 2006 in Kraft getretenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das Benachteiligungen im Bereich zivilrechtlicher Rechtsgeschäfte entgegenwirkt.

 

Zutritt zu Einrichtungen des öffentlichen Lebens

Auch in öffentlichen Gebäuden (Rathäuser, Behörden etc.) oder Einrichtungen der öffentlichen Hand (Freibad der Gemeinde, Landestheater etc.) müssen Blindenführhunde nicht vor verschlossener Tür stehen bleiben. Sofern nicht unabweisbare Rechtfertigungsgründe entgegenstehen, lässt sich ein Zutrittsrecht durchsetzen. Hier gilt nicht der zivilrechtliche Maßstab aus dem AGG, sondern öffentlich-rechtliche Vorschriften. Der barrierefreie Zugang zu öffentlichen Einrichtungen – und hierzu gehört auch die Mitnahme eines Führhundes – resultiert verfassungsrechtlich aus dem Diskriminierungsverbot in Artikel 3 des Grundgesetzes und einfachgesetzlich insbesondere aus den Bundes- und Landesgleichstellungsgesetzen. Nur wenn die Einrichtung in privater Hand ist (Freizeitpark, Konzerthalle etc.) ist der Eigentümer mit dem AGG zu konfrontieren (siehe oben).

 

Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Autotin und des Herrausgebers aus der Mitgleiderzeitung " Gegenwart" des DBSV 2011!

 

Autor: Christiane Möller, Rechtsberatungsgesellschaft „Rechte behinderter Menschen“

Kontakt: Dr. Michael Richter (Geschäftsführer), Tel.: 0 64 21 / 948 44-90 oder -91, E-Mail: , telefonische Beratungszeiten: montags und mittwochs, 13 bis 17 Uhr, freitags, 9 bis 14 Uhr, www.rbm-rechtsberatung.de